Der Jahrkreis (Hugo Distler)

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Vorwort

Der "Jahrkreis", eine Sammlung von 52 zwei- und dreistimmigen geistlichen Chormusiken, ist aus kirchenamtlicher Praxis heraus entstanden und hofft, allgemeinem Bedürfnis nach leichter, gottesdienstlicher de-tempore-Musik zu entsprechen. Die zahllosen kleinen gemischten "freiwilligen" Kirchenchöre sowie die in vielen Gegenden vor allem Norddeutschlands noch üblichen Kinderchöre sind es, denen diese Sammlung dienen will. Bei den gemischtstimmigen Sätzen bewegt sich die Männerstimme—die der deutlichen Unterscheidbarkeit wegen durchweg im Baßschlüssel notiert ist—stets in so bescheidenen Stimmgrenzen, daß—etwa bei Stimmenmangel—der Chorleiter sehr wohl allein zu den zwei Kinderstimmen die dritte Stimme zu singen in der Lage ist. (Die Mehrzahl dieser Sätze habe ich selbst in dieser, gewiß auch in beschränkten Verhältnissen zu ermöglichenden Besetzung ausgeführt.) Es ist jedoch nicht gesagt, daß nicht viele der Motetten auch stärkere Besetzung gestatten, manche infolge ihrer technisch und musikalisch anspruchsvollen Fassung sogar erforderlich erscheinen lassen wie etwa fast alle freien Motetten. Durch entsprechende Transposition, die bei jedem Satz gestattet und in vielen Fällen bei der Einordnung der Motette in den Rahmen des Gottesdienstes erforderlich sein mag, werden die meisten der im Original als für gleiche Stimmen notierten Sätze gemischtstimmig, und umgekehrt. Die Unterlegung der Texte und die Einordnung der Choräle ins Kirchenjahr ist in vielen Fällen nicht anders denn als persönlicher Vorschlag des Herausgebers zu betrachten; es ist selbstverständlich möglich, den Weisen auch andere Texte als die angegebenen unterzulegen, sofern sie dem Charakter des betreffendem Satzes nicht widersprechen. Es ist nicht notwendig, jeweils die ganze Motette in all ihren Verstexten und verschiedenen Sätzen durchzuführen; die in der Regel beträchtliche Anzahl der angeführten Verse dient in den meisten Fällen nur zur Auswahl. Man beschränke sich anfangs etwa auf die Ausführung nur der leichtesten Sätze, wobei zu bemerken ist, daß die zweistimmigem Sätze nicht auch immer die am einfaschsten auszuführenden sind. Aus praktischen Gründen unterlegte ich den an zweiter Stelle stehenden zweistimmigen Bearbeitungen stets auch den Text des zweiten Verses des betreffenden Chorales: der Wechsel von dreistimmiger Fassung (erster Vers), zweistimmigem Satz (zweiter Vers) und rondoartiger Wiederholung der ersten dreistimmigen Fassung (als letzter, dritter Vers) ergibt eine einheitliche, künstlerisch voll befriedigende Formung größeren Ausmaßes. (Wird nur die zweistimmige Bearbeitung des Chorals gesungen, ist selbstverständlich mit dem Text des ersten Verses zu beginnen.) Um möglichste Freizügigkeit bei der Wiedergabe zu gewährleisten, wurde—mit Ausnahme der freien Motetten—fast auf jegliche Tempo und Dynamik betreffende Angabe verzichtet; für das Zeitmaß der Choralmotetten ist das übliche Choraltempo Maßstab—jedenfalls hüte man sich in allen Fällen vor zu langsamer Temponahme. Bei Taktwechsel bleibt in der Regel  =  sofern nicht anders angegeben. Im Te-deum kann die einstimmige Vershälfte entweder solo oder vom Chor, auch (transponiert, als Männerstimme) von Geistlichen responsorisch gesungen werden; das gleiche gilt von dem Passionsgesang "Bei stiller Nacht" und ähnlichen Sätzen, wo entweder Chor und Chor, oder Chor und Solostimme alternieren. Auch solistische Wiedergabe ganzer Motetten ist in den meisten Fällen möglich. Die Unterstützung der Vokalstimme durch geeignete Instrumente (chorisch oder solistisch), bzw. deren selbständige Ausführung von ganzen Sätzen oder einzelnen Stimmen ist zu empfehlen, sofern der betreffende Satz nicht zu unmittelbar aus dem jeweiligen Wortrhythmus gestaltet erscheint. Manche der gleichstimmigen und, durch entsprechende Transposition, auch gemischtstimmigen Bearbeitungen, sind auch zur Ausführung durch Männerchor geeignet. Bei selbständiger Textunterlegung dürfen keine rhythmischen Veränderungen vorgenommen werden. Das Singen zweier, sich auf gleicher Tonhöhe befindenden Noten zu ein und derselben Silbe erfordert stets, zwecks rhythmischer Verdeutlichung der zweiten Note, eine (möglichst kurze) Atemzäsur. Durch sinnvolle Kombinierung mehrer Motetten untereinander lassen sich vollständige Zyklen von Choralmessen bilden.

Lübeck, im April 1933, Hugo Distler